Inmitten des Berliner Schick rund um die Oranienburger Straße und der Friedrichstraße erhebt sich eine Bauruine, die nicht so richtig in das Bild der Spandauer Vorstadt passen möchte – das Kunsthaus Tacheles. Fast im Jahresrhythmus diskutiert man bei den Stadtplanern über das eigenwillige Gebäude, dass sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem El Dorado für junge Künstler entwickelt und inzwischen einen Kultstatus erworben hat.
Die Immobilie an der Ecke zur Friedrichstraße war in seinen Anfangszeiten ein Warenhaus gewesen. Inmitten des Aufschwunges der 20er Jahre übernahm die AEG das Haus und installierte hier das Haus der Technik. Durch die Zerstörung des Zweiten Weltkrieges konnte man von den einstigen „Friedrichstraßenpassagen“ lediglich einen Flügel erhalten. Zu Zeiten der DDR kam es zu weiteren Teilsprengungen am Gebäude, während der Großteil vor sich hin vegetierte. Nach der politischen Wende kam es am 13. Februar zur Besetzung der Ruine durch die Künstlerinitiative Tacheles. Dank des großen Engagements der Künstler wurde die Sprengung verhindert und das Gebäude letztendlich nach langem Kampf 1997 unter Denkmalschutz gestellt. Zwar gehört das Kunsthaus zu den umstrittensten Immobilien Berlins, das den Stadtplaner oftmals ein Dorn im Auge ist, aber letztendlich hat sich die Künstleroase rund um den Hackeschen Markt etabliert.
Das Wort „Tacheles“ ist jiddisch und ist auch mit jener Bedeutung besetzt, in welcher es im alltäglichen Sprachgebrauch zu Anwendung gebracht wird – „Klartext reden“- Probleme direkt anzusprechen, Missstände offenbaren und neue Perspektiven aufzeigen. Welche hohe Anerkennung des Gesamtkunstwerk Tacheles inzwischen genießt, wird durch das Zitat des Leiters des Sprengel-Museums Hannover, Prof. Dr. Ulrich Krempel, am besten verdeutlicht: „Das Gesamtunternehmen Tacheles als Kunstwerk könnte nicht von der Bildfläche verschwinden, ohne gleichzeitig ein Riesenloch und einen erheblichen Verlust im schwachen Gefüge der zeitgenössischen Berliner Kunstsituation zu hinterlassen. Das Tacheles ist Teil der Berliner kreativen und experimentellen Kunstgegenwart.“
Aus dem Tacheles erfolgte übrigens die erste Fernseh-Übertragung der Welt, ich finde, das ist schon eine Erwähnung wert 🙂
Bei meinem Berlinbesuch letzte Woche, lief ich zufällig an dem Kunsthaus Tacheles vorbei und war wirklich beeindruckt. Inmitten der top-sanierten Gebäude in der Oranienburger Straße, fällt das baufällige Ensamble sofort ins Auge und macht neugierig. Passiert man das Tor und begibt sich in den Hinterhof, eröffnet sich eine Brachfläche mit einem Sammelsurium von Kunstgegenständen und man befindet sich in einem völlig anderen Ambiente.
Solche Areale machen ein Stadtviertel erst lebendig und lohnenswert es zu erkunden. Hoffentlich ist das auch den Damen und Herren von der Stadtentwicklung bewusst.