Fortsetzung: Streit um Rote Flora: Eigentumsrecht vs. Recht auf Stadt (Teil 1). Im ersten Teil haben wir den Streitfall um die Rote Flora bereits von der objektiven Seite betrachtet. Kretschmers Vorgehen ist rechtlich gesehen legal und nachvollziehbar. Trotzdem stehen Bezirk und Politik hinter den Flora-Aktivisten. Die Entscheidung, ob dieses Verhalten lediglich ein vorbeugendes Arrangement oder klare Distanzierung ist, bleibt jedem selbst überlassen. Doch auch die Argumente der Flora-Aktivisten und -Sympathisanten sind für viele nachvollziehbar und verständlich. Außerdem agieren die Mitglieder der linken Szene mit Witz, Charme und Raffinesse, statt mit hoch bezahlten Anwälten…
24 Jahre können aus einer Besetzung mehr machen
Man kann die Kraft und Arbeit, die die einstiegen Besetzer in die Rote Flora gesteckt haben, nicht einfach ignorieren. Ein hart erkämpfter Ort wird schnell zum Symbol – und mit der Symbolik der Roten Flora schienen sich Bezirkspolitik und auch Klausmartin Kretschmer ursprünglich angefreundet oder zumindest abgefunden zu haben. Der geplante Bebauungsplan bestärkt diese Sicht nur noch. Dass der Eigentümer nun scheinbar im letzten Moment seine Position ändert, den Bebauungsplan Sternschanze 7 anficht und eine eigene Bauanfrage einreicht, deren „Kulturfaktor“ hart umstritten ist, stößt die alternative Szene ebenso wie die Politik hart vor den Kopf. Nachvollziehbarerweise.
„Eine herrliche Seifenoper mit Lüge, Verrat, Krawall und Remmidemmi“
In einer Stellungnahme verdeutlichen auch die Flora-Aktivisten Ihren Standpunkt. In einem überaus kreativen Text beschreiben sie die Situation aus ihrer Sicht: „Das Drehbuch handelt von einem verrückten Forscher und seinem Gehilfen, die einen totgeglaubten Plan mit zusammengesammelten Artefakten der Vergangenheit wieder zum Leben erwecken wollen.“
Chancen für die Rote Flora
Solange Kretschmer und Baer ihren Kampf auf regionaler Ebene austragen, stehen die Chancen für die Rote Flora gut. Mehrere Faktoren wahren den Schutz des besetzten Stadtteilzentrums: Der Bebauungsplan Sternschanze 7 beinhaltet eine Veränderungssperre für die Flora, das Gebäude darf also nur als Kultur- und Stadtteilzentrum dienen. Der Status als „Sanierungsgebiet“ schützt die Flora. Und nicht zuletzt beinhaltet der Kaufvertrag, den Kretschmer 2001 mit der Stadt abschloss, den Punkt, dass die Rote Flora auch nach einem Verkauf lediglich als Kultur- und Stadtteilzentrum genutzt werden darf.
Die Stadt bot Kretschmer bereits an, das Gebäude zurückzukaufen. Solch ein Rückkauf wäre die einfachste Lösung, mit der jeder glücklich werden würde, der nicht auf Gewinn aus ist – aus diesem Grund aber kaufte der Investor Kretschmer das Gebäude aber überhaupt. Das Angebot der Stadt war ihm zu niedrig. Und mit sich reden lassen will er in dieser Hinsicht auch nicht länger: sein Berater Baer stellte am Samstag klar, dass ein Verkauf nun nicht mehr zur Debatte stehe.
Bild: Na Dine