Schweinepriester! Das caricatura in Frankfurt eröffnete im Februar eine Ausstellung zum Werk des französischen Karikaturisten Jean-Marc Reiser, der in Deutschland zu Lebzeiten mit seinen satirischen und sozialkritischen Zeichnungen auf weit mehr Ablehnung als Akzeptanz traf.
Das caricatura Frankfurt hat eine neue Attraktion. Neben seinen beliebten Dauerausstellungen macht das Museum für Komische Kunst nun auch das Werk des französischen Satirikers, Karikaturisten und Comic-Zeichners Jean-Marc Reiser (1941-1983) dem Publikum in einer repräsentativen Ausstellung zugänglich. Die Präsentation von rund 240 Einzelwerken reiht sich damit in eine lange Tradition von Ausstellungen, in welcher das caricatura dem interessierten Laien ebenso wie dem erfahrenen Kenner immer wieder Kunst der etwas anderen Art näher bringt.
Kunst in Frankfurt: Jean-Marc Reiser und das caricatura
In diesem Jahr wäre das Enfant Terrible der Comic-Kunst 70 Jahre alt geworden. Grund genug für das caricatura in Frankfurt, ihm eine Retrospektive unter dem Titel „VIVE REISER!“ zu widmen, welche die bisher umfangreichste Ausstellung zum Werk des Franzosen darstellt. Und das, obwohl der in seinem Heimatland so gefeierte Künstler in Deutschland viel Spott und Schmähungen einstecken musste. Sein Zeichenstil war grobstrichig, manchmal fast schnoddrig, und seine Arbeiten wurden bei mehr als einer Gelegenheit als jugendgefährdende Pornographie beschimpft und sogar juristisch untersucht.
Zu deftig, zu zotig waren Vielen seine Bilder, die nichts beschönigen, aber alles Hässliche und sonst gern Versteckte offen legen – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Doch auch hierzulande fand er Anhänger und Unterstützer, seine Arbeiten waren diverse Male in der „Titanic“ vertreten. Schon zu Lebzeiten wurde er von Alice Schwarzer die nun bei der Ausstellungseröffnung in Frankfurt die Laudatio auf den Künstler hielt, verteidigt und gelobt. Diese Ambivalenz in der Rezeptionsgeschichte von Reisers Gesamtwerk ist ebenfalls Thema der Ausstellung.
Wer sich also mit dem Erschaffer des „Schweinepriesters“ – der wahrscheinlich bekanntesten Figur Reisers – einmal näher beschäftigen möchte, hat dazu noch bis Sonntag, den 26. Juni 2011, Gelegenheit. So lange kann man die Gedankenwelt des Künstlers noch in den hier präsentierten Werken nachvollziehen und feststellen, dass die Grenzen zwischen Kunst, Kritik und Unterhaltung manchmal näher beieinander liegen, als man denkt – und oft genug gänzlich verschwinden. Ob den Zeichnungen im heutigen Kontext noch immer so viel Potenzial zum Skandal anhängt wie zum Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung, mag nun jeder Besucher für sich entscheiden. Wahrscheinlich ist aber, dass die Ausstellung entgegen damaliger Veröffentlichungen eher Neugier als Protest hervorrufen wird. So ist sie eben, die Kunst im Wandel der Zeiten.
Mehr Informationen gibt es auf der Homepage des caricatura Museum Frankfurt.