Ein Abend wie gemalt für ein Heimspiel: Der Winterdom frisch eröffnet, das Wetter nasskalt, Anstoß am Montagabend um viertel nach acht – die einzigartige Atmosphäre eines Flutlichtspiels am Millerntor also.
Den halben Arbeitstag habe ich wieder einmal damit verbracht, den E-Mail-Verkehr meiner Fußballgang zu verfolgen. Nach der Arbeit bin ich schnell nach Hause gefahren, habe die Klamotten gewechselt und bin zum Treffpunkt an der Feldstraße marschiert. Was ein Segen, dass das Millerntor mitten in meinem Viertel liegt und nicht am Allerwertesten der Welt. Mit der S-Bahn oder dem Auto ewig unterwegs sein zu müssen, das kann ich mir nicht vorstellen. Zu Fuß zum Stadion zu gelangen, so muss es sein. Bei jedem Heimspiel kribbelt‘s schon auf dem Weg zur Arena, der Stadtteil trägt Braun-Weiß, aus allen Himmelsrichtungen strömen die Fans gen Millerntor.
Das ist sie wieder, die ganz besondere Millerntor-Atmosphäre
Im Stadion kennt man sich, zumindest die Dauerkartenbesitzer. Auch auf den Stehplätzen gibt es eine halbwegs feste Ordnung, die meisten haben ihre Stammplätze und sind immer mehr oder weniger an derselben Stelle anzutreffen. Die Wartezeit bis zum Anpfiff – als Steher sollte man locker 45 Minuten vor Anstoß im Stadion sein, um seinen angestammten Platz nicht an Gelegenheitsbesucher zu verlieren – vergeht mit Schwatzen, Gucken und Singen. Wenn die Hymnen gespielt und die Aufstellungen verlesen sind, wenn die Teams zum „Hells Bells“-Intro auf den Platz gekommen sind und der Anstoß erfolgt ist, wenn das erste „Nous sommes Sankt Pauli!“ aus der Südkurve erschallt und die Gegengerade in den Wechselgesang einstimmt, spätestens dann ist sie wieder da, die ganz spezielle Millerntor-Atmosphäre samt Gänsehaut und Kribbelschauern.
Feiern und Singen – nach Abpfiff geht’s weiter
Klar, wenn es wie beim Heimspiel gegen Energie Cottbus nach zwei schwachen Heimauftritten zunächst wieder nur fiesen Zweitliga-Rumpelfußball zu sehen gibt, geht die Stimmung in den Keller. Doch die Fans haben ein feines Gespür dafür, wann ein Spiel zu kippen droht und die Mannschaft supported werden muss. So war es auch vor dem 1:0 gegen Energie, und danach war eh nur noch Feiern und Singen angesagt. Nach dem Match und der Ehrenrunde des Teams ist ein verdientes Sieges-Pils fällig, in einer der unzähligen mit Fans prall gefüllten Kneipen oder Bars rund um den Kiez, alle nur einen Steinwurf vom Millerntor entfernt. Nach Hause geht’s natürlich auch zu Fuß, durch ein immer noch von FC-Anhängern bevölkertes, sich aber allmählich leerendes Viertel. Was ein Segen, dass sich nicht nur das Stadion mitten auf St. Pauli befindet, sondern auch die Trinkstätten für die Spielanalyse nach Abpfiff.
Foto: Peter Meyer