Sex, Yoga und der Mietspiegel
Ich wohne erst zwei Monate in Berlin, habe aber schon einige aufregende Mieter-Erfahrungen gemacht: Mir wurde Strom geklaut; meine Nachbarn hatten genussvoll Sex (möglicherweise haben sie auch einen Wellensittich erdrosselt); der kleine Junge unter uns übt regelmäßig Trompete; eine Frau hat mir einen Zettel in den Briefkasten gesteckt, da stand drauf, sie würde mich gerne hypnotisieren. Im Gegenzug dürfen meine Nachbarn teilhaben, wenn ich über den Staubsauger stolpere oder mir den Kopf an einem der tiefhängenden Regale stoße. Es ist halt alles ein bisschen eng – aber gemütlich: Wohnen in Berlin hat ganz eigene Qualitäten. Wenn ich Wein kaufen will, fahre ich eine Dreiviertelstunde U-Bahn; Bier bekomme ich an der Ecke, auch sonntagmorgens um sieben. Kürzlich habe ich gelesen, dass es auf dem Prenzlauer Berg Leute gibt, die ihre dreijährigen Kinder zum Yoga schicken. Wo ich wohne, in Neukölln, macht keiner Yoga; bei uns ist Hypnose schick.
Was die Miethöhe betrifft, war ich positiv überrascht – im Schnitt sind Wohnungen in Berlin wesentlich günstiger als vergleichbare Mieten in der Rhein-Main-Region (da komme ich her). Das liegt, ich habe mich belehren lassen, am großen Wohnungsbestand. Man kann in jedem Bezirk erschwingliche Wohnungen finden. Wie es sich für eine gute Bundeshauptstadt gehört, spiegelt Berlin übrigens im Kleinen die Mieten der Bundesrepublik: Von 5,50 Euro pro Quadratmeter bis zu 10 Euro und mehr ist hier alles zu haben. Der Immobilienmarkt ist so heterogen wie die Leute, mit denen ich im Supermarkt in der Schlange stehe. Meine Freundin sagt, kein Wunder, Du hast ja auch eine große Nase, da ist ja automatisch jede Gruppe, in der Du Dich aufhälst, heterogen.